Bürgerentscheid Grundschulareal Gauting

Kommenden Sonntag entscheiden die Bürger Gautings darüber, ob die Planung der Bebauung am Gelände der alten Grundschule wie geplant weitergeführt oder nicht weiter verfolgt wird.

Wie fast immer möchte ich keine konkrete Empfehlung aussprechen, sondern es gilt wie gehabt: Denkt selbst!
Objektiv kann ich in dieser Sache aber auch nicht sein, da ich mich seit 2006 im Rahmen des Leitbildprozesses, des Bahnhofsfests und „Gauting Entfalten“ Gedanken um das Gautinger Bahnhofsareal mache und als Gemeinderat in den Vergabeprozess eingebunden war.

Dieser Beitrag gibt also keinesfalls eine Parteimeinung wieder, sondern ist als Kommentar zu sehen.

Worum geht’s? Im Grundschulaltbau kam 2010 die Decke runter; der damalige Gemeinderat beschloss 2011 Abriss und Verkauf; es wurde ein Kredit aufgenommen, um eine neue Grundschule zu ermöglichen und die Genehmigung dieses Kredits seitens der Rechtsaufsicht war an den Verkauf des alten Geländes bis 2014 gebunden.
Leider gelang dem alten Gemeinderat dieser Verkauf nicht, so dass wir (aktueller Rat) das Thema am Tisch hatten und die Kuh möglichst schnell vom Eis kriegen mussten, weil uns die Rechtsaufsicht wegen der Finanzen im Nacken saß. Bürgermeisterin Kössinger lies verlauten, dass die Entwürfe der alten Planungen unterschiedliche Grundstücksgrößen zugrunde liegen hatten und Architekt und Investor vom favorisierten Entwurf mittlerweile nicht mehr zusammenarbeiten. Wir hatten also weder definierte Grundstücksgrößen noch einen Käufer, mussten aber schnellstmöglich zum Abschluss kommen.
Zusammen mit der FDP habe ich daraufhin ein Verkehrskonzept für das Bahnhofsareal initiiert, um überhaupt mal festzustellen, was wir verkaufen können, um die für einen Bahnhof benötigten Verkehrsflächen zur Verfügung zu haben, auch wenn das angrenzende Areal verkauft wird.

Im Rahmen dieses Verkehrsworkshops unter Einbindung Vertreter diverser Gruppierungen hat sich ein Konzept entwickelt, dass statt einem halben Dutzend verteilter Bushaltestellen rund um das Areal einen zentralen Busbahnhof direkt am S-Bahnhof vorsieht und dafür den Bahnhofsvorplatz frei von KFZ-Verkehr hält bzw. von dort aus keine Zufahrt mehr zum P+R vorsieht.

Eine Zufahrt zum P+R sollte zukünftig nur noch wie gehabt über die Ammerseestraße und zusätzlich gemeinsam mit dem Kundenverkehr des zu verkaufenden Grundschulareals vom Kriegerdenkmal aus erfolgen. Die KFZ-Bewegungen von Seiten des Bahnhofs zum P+R hatten sich anhand von Verkehrszählungen sowieso als marginal erwiesen.

Anhand dieser Vorgaben hat der Gemeinderat einen Investorenwettbewerb initiiert, der die Grundstücksgröße, die Zufahrt, die maximale Geschosszahl und andere Dinge vorgegeben hat. Auch anhand des Raumordnerischen Entwicklungskonzepts und Gutachten der CIMA war für uns klar, dass wir sowohl einen Vollsortimenter als Ankergeschäft als auch Wohnraum in unmittelbarer Bahnhofsnähe schaffen wollten.

Ergebnis dieses Wettbewerbs waren letztendlich drei Bewerber, von denen einer nahezu indiskutabel, ein anderer in meinen Augen architektonisch recht gelungen und der Gewinner architektonisch in meinen Augen langweilig, aber zweckmäßig war.

Ich habe in den Wochen vor der Entscheidung mit einigen anderen Räten darum gekämpft, dass wir den (architektonisch) interessanteren Bewerber irgendwie durchkriegen. Er hatte zwar einige deutliche Mängel, die man in meinen Augen aber noch hätte beheben können. Der Gewinnerentwurf erschien mir als optisch zu langweilig, beliebig, austauschbar. Kein gutes Entrée für Gauting. Rechteckig, dominant, Beton, Glas. Langweilig.

Auch war ich äußerst unzufrieden darüber, dass die Gautinger die verschiedenen Entwürfe vor der Entscheidung nicht mehr sehen sollten. Ich hatte den Ärger kommen sehen und hatte gehofft, dass wir durch öffentliche Präsentation und Diskussion Luft rausnehmen könnten. Einige Räte und ich haben versucht, die Bürgermeisterin von einer öffentlichen Präsentation vorab im Rathausfoyer zu überzeugen, dies wurde aber mit Bedenken auf die Bedingungen des Wettbewerbs und eventueller Klagen abgeschmettert.

In der entscheidenden Sitzung haben alle bis auf Christiane Lüst und ich für den Gewinnerentwurf gestimmt. Welcher in der Wertung der von uns vorgegebenen Matrix deutlich vorn lag. Diese Matrix bestand aus vielen Kriterien, eben auch Nutzung und Geld; nicht nur aus Architektur.

Jetzt stehe ich also da, und wieder mal zwischen allen Stühlen. Sontowski (Gewinner) haben sich anhand der Eingaben im Bebauungsplanverfahren deutlich bewegt. Die Abgrenzung zur Grundschule erscheint mir gelungen. Auch das neue Fassadenkonzept mit mehr verschiedenen Materialien und Holzelementen sowie die komplette Dachbegrünung gefällt mir. Ich kann mir das Objekt inzwischen dort vorstellen, und zwar durchaus nicht mehr so abschreckend wie zum Zeitpunkt meiner Ablehnung im Rat. Ich verstehe aber, warum es einigen Leuten nicht gefällt.

Grundsätzlich bin ich ein Freund von möglichst intensiver Bürgerbeteiligung. Diese ist hier von Anfang an schief gegangen, und ich bin mit schuld. In meinen Augen haben es Verwaltung und der Gemeinderat nicht geschafft, den Bürgern von Anfang an mitzuteilen, was wir dort oben planen und vor allem, welche Vorgaben wir anhand welcher Überlegungen gemacht haben. Unser Ziel war eine möglichst sinnvolle Bebauung für den Ort, die den lokalen Einzelhandel stärkt und nicht immer weiter aussterben lässt. Stichwort Ankergeschäft. Und die Schaffung von Wohnraum unmittelbar am Bahnhof. Innerhalb dieser Vorgaben haben sich alle Bewerber bewegt.
Wenn das Ergebnis jetzt nicht gefällt, sind also (auch) unsere Vorgaben schuld.

Und damit kommen wir zum Bürgerentscheid dieses Wochenende. Es geht darum, ob wir auf Grundlage des Gewinners des Wettbewerbs der von uns erstellten Kritereien mit der Planung fortfahren sollen. Oder halt nicht. Wobei im „halt nicht“-Fall die Sache komplizierter wird, weil unser Gemeindehaushalt auch so schon mehr als kritisch ist. Und wenn dann ein Investor in der Größenordnung eines Viertels unseres Haushalts mal eben abspringt, dann wird’s die nächsten Jahre lustig. Ich versuche, mich mit Seitenhieben zurückzuhalten, aber manches, was im Rahmen der äh… Überzeugungsarbeit im Vorfeld des Bürgerentscheids geäußert wird, ist äh… von wenig Kenntnis der Materie behaftet. Also, jegwelcher Materie.

Aber gut, letztendlich sehe ich die (Mit)schuld hier auch beim Gemeinderat und ich bin ja gar nicht ganz unglücklich darüber, dass wir mal vorgeführt bekommen, was ein Mangel an transparenten Vorgängen so alles auslösen kann.

Eine Stimme für das Ratsbegehren bedeutet für mich also, dass nicht nur das Gebäude halbwegs erträglich und sein Nutzen sehr wichtig für die Ortsentwicklung ist, sondern auch die Vorgaben und Vorgehensweise des Rats einigermaßen OK war.

Eine Stimme für das Bürgerbegehren bedeutet für mich in erster Linie nicht nur, das das konkrete Gebäude nicht gewünscht ist, sondern vor allem, dass die Vorgehensweise und die Vorgaben des Gemeinderats an den Interessen der Bürger vorbei gegangen sind. Denn der Käufer ist nunmal nichts weiter als der Bewerber, der am besten den Vorgaben des Gemeinderats entsprochen hat.

Der Grund, warum ich persönlich für die Fortführung der Planung stimmen werde, obwohl ich gegen das konkrete Gebäude war, liegt in erster Linie in den Finanzen und der Ortsentwicklung. Egal, was dort gebaut wird, es wird immer Menschen geben, denen es nicht gefällt. In meinen Augen sind und waren unsere Kritereien sinnvoll und ich habe keine Ahnung, ob der von mir favorisierte Entwurf besser angekommen wäre und keinen Bürgerentscheid ausgelöst hätte. Also lasse ich architektonische und optische Kriterien außen vor. Das Gebäude dort ist sinnvoll und bringt uns weiter, egal, ob’s mir nicht gefällt. Vor allem können wir weitermachen mit anderen wichtigen Projekten wie dem gesamten Bahnhofsumfeld, den Wunderl-Grundstücken uvam.
Die Alternative ist potentiell ein finanzielles Desaster und Stillstand nicht nur am Bahnhof, sondern in der kompletten Ortsentwicklung und der Vergabe von freiwilligen Leistungen auf Jahre hinaus.

Ich anerkenne, wenn eine Mehrheit die Architektur am Grundschulareal oder die Entscheidung über diese für den Ort als wichtiger ansieht und das daher anders bewertet als ich.


Kommentare

4 Kommentare zu Bürgerentscheid Grundschulareal Gauting

  1. C. Bredow schrieb am

    Warum hat sich niemand von den Befürwortern des bestehenden Planes die beiden Vorschläge im Bosco mit 2 verschiedenen Ideen, aber im Grunde ähnliche und sehr ansprechende Entwürfe. Kein Mensch hat verlangt, dass alles anders sein soll. Es könnte eine Änderung der Planung ohne Rückzug von Sontowski, die eine optisch wesentlich ansprechendere Bebauung zugrunde legt nit wesentlich mehr Freiraum für die Bevölkerung.

    Wenn die Gemeindefinanzen schon s knapp sind, wieso ist dann Geld da für Werbung und Plakatierung, wo außerdem noch Dinge stehen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Weder soll ein Stillstand eintreten, noch geplante Läden wegfallen, noch wird Gauting deshalb weniger wert sein.
    Auch die Personen, die sich auf dem beiliegenden Blatt für das Ratsbegehren aussprechen, haben keine oder sehr wenig Ahnung von den Vorschlägen, die die Befürworter des Bürgerbegehrens entwickelt haben.

  2. Vielen Dank allen,
    die beginnen, ein Gemeinwohl-BauKulturWesen miteinander auszubilden.
    Die Gespräche der gestern im Rathaus bis zu 4 Stunden frei Versammelten hatten schon eine neue Qualität.
    Dies nun regelmäßig weiter zu üben wird zu sehr erfreulichen auch baulich sichtbaren Fortschritten im öffentlichen Begegnungs- und LebensRaumBilden führen.

    Da kaum Hintergründe bekannt waren, geschichtlich, menschlich, gegenwärtig..

    möge nun ein freies Bildungsfeld die Grundlagen schaffen für gemeinwohlmotivierende Orts-Geschichte, Entwicklung, Gestaltung und BauWesensKultur als begleitende ständige Zukunftswirkstatt in Gauting.

  3. Dr. Eckhard Müller-Guntrum schrieb am

    Bitte erklären Sie mir folgendes:
    Sollte Sontowski in 2020(!) abspringen, also der Kaufpreis von 9.5 Mio Euro in ca. 1 3/4 Jahren (!) zurückgezahlt werden müssen, würde die Gemeinde ja das wertvolle Grundstück zurückerhalten und könnte es dann an einen anderen Bewerber verkaufen (und bereits vorher dafür planen und Weichen stellen). Sollte es dann noch (maximal) weitere zwei Jahre für Planung und Verkauf an einen anderen Bewerber dauern, müsste die Gemeinde die Rückzahlung für diese zwei Jahre zwischenfinanzieren und hätte das Grundstück als Sicherheit zu bieten. Bei einem Zinssatz von 1.5 % p.a. wären das knapp 150.000 Euro pro Jahr. Wieso sollte das für die Gemeinde ein finanzielles Desaster darstellen?
    Ich bin auf Ihre Antwort gespannt.

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