Kreisverkehre in Gauting?

Derzeit wird im Wahlkampf viel über mögliche Verbesserungen im Gautinger Straßenverkehr gestritten. In der SZ liefern sich Burkhard von den BiG und ich gerade einen Leserbrief-Schlagabtausch. Leider ist das Thema zu komplex für Leserbriefe, auch weil diese oft gekürzt werden. Von daher möchte ich hier kurz meine Position zusammenfassen.

Ein Kreisverkehr am Gautinger Hauptplatz wäre eine tolle Sache, wenn er den Verkehr aufnehmen könnte. Derzeit kann von allen Seiten zweispurig in die Kreuzung eingefahren werden, dadurch ist die Kreuzung sehr leistungsfähig und der Durchsatz der Ampelschaltung weitestgehend ausgereizt. Die einzige noch mögliche Verbesserung ist in meinen Augen eine Verschiebung der Fußgängerquerung um eine Fahrzeuglänge in die Grubmühlerfeldstraße. Dadurch blockieren ein oder zwei von der Münchener Straße nach rechts abbiegende Fahrzeuge nicht die Geradeaus-Spur.

Nun geistert seit einiger Zeit der Traum eines Kreisverkehrs durch Gauting. Kreisverkehre sind toll und viel flexibler als Ampelschaltungen. Alle lieben Kreisverkehre; ich auch. Wir haben da nur ein klitzekleines Problem: den Hauptplatz. Also dessen Größe.

Die von Burkhard als Beispiele genannten Kreisverkehre in Unterpfaffenhofen haben einen Außendurchmesser von 26m und sind damit die kleinste übliche Bauform für einen Kreisverkehr mit Mittelinsel. Hintergrund: Busse haben einen Wendekreis von 25m. Rein technisch könnte man einen solchen Kreisel irgendwie in den Hauptplatz quetschen – allerdings müßte man dazu massiv in Privatgrund eingreifen und hätte dann immer noch ein Problem mit der Fußgängerführung.

Uns bleibt in Gauting daher nur ein sogenannter Minikreisverkehr mit überfahrbarer Mittelinsel, damit Busse usw. über die Kreuzung kommen.
Die Zufahrten von der Grubmühlerfeld- und Münchener Straße wären sehr kreativ und nicht eben optimal, sie würde die Leistungsfähigkeit des Kreisels etwas einschränken. Aber irgendwie bekäme man das schon hin. Die Radfahrer würden wie bisher im KFZ-Verkehr mitfahren, die Fußgänger würden via Zebrastreifen an allen Ein- und Ausfahrten kreuzen. Das alles würde die KFZ bremsen und die Leistungsfähigkeit des Kreisels weiter reduzieren, aber – rein technisch bekäme man das schon irgendwie hin.

Dann hätten wir also einen Kreisel am Hauptplatz. Die entscheidende Quizfrage ist allerdings nicht, ob wir den da irgendwie reinquetschen können – sondern, ob er in der Lage wäre, mehr Verkehr aufzunehmen, als die bisherige Ampelschaltung und damit die Verkehrssituation in Gauting zu verbessern.

Dazu gibt es nun von vielen Quellen recht genaue Aussagen. Ein Beispiel hier:
Auf Seite 11 findet sich eine schöne Graphik. Dort wird die Leistungsfähigkeit eines Minikreisels mit max. 18.000 KFZ/Tag angegeben. An anderer Stelle habe ich bis max. 20.000 KFZ/Tag gefunden – allerdings nur unter optimalen Bedingungen. Was sind nun optimale Bedingungen? Unter anderem, wenn vier Zufahrten alle gerade auf den Kreisel treffen und die Sichtlinien unbehindert sind. Wir haben in Gauting alles andere als diese optimalen Bedingungen.

Und wieviele Autos fahren am Tag über den Hauptplatz? Auch dazu gibt es sehr genaue Zahlen aus den Gutachten und Zählungen von S&P, Ingevost und Kurzak. Sie alle kommen auf rund 26.000 KFZ/Tag.

Ups.

Schauen wir nochmals auf die Tabelle in oben verlinktem Vortrag. Ein Minikreisverkehr fällt wohl aus. Ein – wie von Burkhard als Beispiel gebrachter – Kleiner Kreisel ist mit max. 25.000 KFZ angegeben – bei einer Größe bis 40m. Mit 26m Durchmesser und unserer Einfahrtssituation wohl auch eher deutlich weniger…

Vergleichen wir die Zahlen aus der Graphik mal mit unseren Erfahrungen aus der Realität. Die kleinen Kreisverkehre in Unterpfaffenhofen haben weit weniger Verkehr als der Gautinger Hauptplatz. Sie sind mit 26m Durchmesser gebaut. Der nächstgrößere Kreisel ist z.B. in Gauting am Penny. Dieser hat über 30m Durchmesser bei einem immer noch weitaus geringeren Verkehrsaufkommen als am Hauptplatz. Wo finden wir einen größeren Kreisverkehr in der Nähe? Südlich von Starnberg. Dort ist der zweispurige Kreisel mit doppelter Einfahrtmöglichkeit bzw. einer Überflieger-Rechtsabbiegespur. Wie viele Fahrzeuge fahren dort derzeit? Aktuelle Gutachten sind mir nicht bekannt, aber aus den alten Kurzak-Gutachten ergeben sich rund 23.000 bis 25.000 KFZ/Tag. Mit Tunnel und Westumfahrung ist hier zukünftig wohl von rund 30.000 KFZ/Tag auszugehen. Auch hier entspricht die bauliche Realität den theoretischen, planerischen Vorgaben. (Offensichtlich wissen Verkehrsplaner, was sie tun.)

Die dem Gautinger Verkehrsaufkommen von rund 26.000 KFZ/Tag planerisch angemessene Lösung ist also sowohl laut Theorie und auch praktischen Erfahrungen aus der näheren Umgebung ein zweispuriger Kreisverkehr. Mit einem solchen würden wir die Verkehrssituation verbessern – allerdings nur für die Autofahrer, wohl kaum für Fußgänger und Radfahrer. Ach und – entweder müssen wir dafür den ganzen Ortskern abreißen oder wir bauen ihn rund um das E-Werk (!).

Die nächstkleinere Lösung, ein kleiner Kreisverkehr mit Mittelinsel, wäre baulich ebenfalls nur mit Eingriffen in Privatgrund (wieder E-Werk) realisierbar. Man müßte vielleicht auch die Fußgänger über den Bollicine-Biergarten umleiten. Allerdings hätte ein solcher Kreisel immer noch *deutlich* weniger Kapazität als die derzeitige Ampelschaltung und würde die Staus in den Stoßzeiten weiter verschlimmern.

Die gestalterisch schönste und baulich ohne weiteres machbare Lösung, ein überfahrbarer Minikreisel, ist von der Kapazität her völlig indiskutabel. *Vorher* müssen wir den Verkehr um rund ein Drittel senken, sonst haben wir den dauerhaften Super-Stau in ganz Gauting.

Was will ich damit sagen? Einen roten Kringel auf einen Stadtplan zu malen ist keine Verkehrsplanung. Ebensowenig übrigens, wie überall blaue Linien als „Radwege“ – dazu vielleicht in einem anderen Beitrag mehr.
Zu behaupten, ein Kreisel am Hauptplatz wäre „technisch möglich“ ist entweder bewußtes Belügen der Wähler oder zeugt von mangelnder Recherchebereitschaft (sprich: Unkenntnis). Ich würde mir wünschen, dass im Wahlkampf nicht das Blaue vom Himmel gelogen wird, sondern dem Wähler alle Informationen zugänglich gemacht werden, damit sich jeder selbst ein Bild machen kann. Aber was red´ ich; Politik halt… 🙁

tl;dr:
Ein Kreisverkehr am Gautinger Hauptplatz ist mit dem derzeitigen Verkehrsaufkommen als Knotenpunkt zweier Staatsstraßen nicht möglich.

Tobias „Kalle“ Mc Fadden

P.S.: Die Gutachten von Kurzak und Ingevost habe ich auf die Schnelle nicht auf der Gemeinde-Homepage gefunden, maile sie aber gerne bei Interesse zu. Ebenso die entsprechenden Seiten der RAStKreisverkehr. Hier die anderen relevanten Dokumente:

Update/P.P.S.: Mir wurde heute am Infostand die Kritik zugetragen, dass ich „keine Lösung anbieten“ würde. Die einfache Antwort wäre: es gibt keine Lösung. Aber- ich biete weiter oben im Text durchaus verschiedene Lösungen an, obwohl ich das nicht zwingend als meine Aufgabe sehe; es ging mir primär darum, unsinnige Wahlversprechen zu entlarven.
Die vorgeschlagenen „Lösungen“ sind:
– Ortskern sprengen
– Kreisverkehr um E-Werk
– weniger Auto fahren
– Fußgängerquerung Grubmühlerfeldstraße um 5m versetzen
Sucht euch raus, was ihr in welchem Zeitraum für realisierbar haltet…


Kommentare

Ein Kommentar zu Kreisverkehre in Gauting?

  1. Der Beitrag zum Kreisel in Gauting ist erstaunlich fundiert. Da hat sich der Bgm.-Kandidat sehr viel Mühe gemacht. Als ehemaliger Planer von Verkehrsanlagen muss ich sagen: Respekt. Vor allem die Aussage „Verkehr reduzieren“ gefällt mir als Ökologischer Politiker besonders gut. Den Spruch hat außer der ÖDP keine andere Partei auf dem Schirm. Der allergrößte Teil des innerörtlichen Verkehrs ist interner Verkehr, kein Durchgangsverkehr. Da müsste man anfangen. Keinesfalls sollte man eine prognostizierte Steigerung des Verkehrs akzeptieren, sondern aktiv bekämpfen. Das heißt, die Stadt für Autos ungeeignet und für Fußgänger und Radfahrer attraktiv machen. In Konsequenz bedeutet das für die kleine Gemeinde Gauting: Parkplätze reduzieren, E-Bike-Stationen einrichten, Fußgängern und Radlern den Vorzug vor Pkws geben. Gemeinsame Nutzung der Straßen für alle, aber Autofahrer müssen sich wie Eindringlinge oder Fremdkörper in der Stadt fühlen, wenn sie durch Gauting fahren.
    Der ÖPNV ist in Zusammenarbeit mit dem Landkreis noch extrem ausbaubar, so dass auch der geringere Anteil an Pendelverkehr deutlich reduziert werden kann. Deutlich machen, dass man für die jährlichen Kosten eines SUV-Panzers genausogut Bus + Taxi nutzen und dabei eine Menge Geld sparen kann! Weniger ist mehr!!! Ehrenamtlichen für ihre Verdienste ÖPNV-Gutscheine schenken. Man kann sooo kreativ sein, anstatt Geld im Straßenbau zu verbuddeln und damit noch mehr Verkehr zu initiieren. Die Frage ist doch, wollen wir leben oder nur noch in Kreiseln Auto fahren?

    Kommunalpolitisches Fazit: Tobias McFadden ist wählbar!

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